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„Weltverbesser” (Polis) [in German]

 

Den Titel des Interviews  habe ich einem deutschen Onlineauftritt entnommen, wo die Band als „Weltverbesser” bezeichnet wurde. Die Begründung: die Gruppe äuβert sich zu aktuellen, globalen Problemen, u.a. das Miteinander zwischen den Menschen, Gewaltlosigkeit, Respekt von der Natur und von der Welt, aber der Weltverbesser und die antike Polis haben ihre Quelle auch unter anderem in der Phänomenologie des Geistes von dem deutschen Philosophen Friedrich Hegel. Auch im wissenschaftlichen Bereich wird die Antwort auf die Fragen gesucht: Wonach strebt die Menschheit?, Wie können wir die moderne Welt verbessern?, Scheint es möglich zu sein, die Krise im Miteinander zu überwinden?

             

Aber im Vordergrund des Interviews steht natürlich die Musik. Das Quintett Polis ist in der Rockwelt ein Jahrzehnt lang tätig. In der Diskografie der Band stehen drei Studioalben. Das letzte , betitelt „Weltklang” fasziniert , weckt das Interesse und begeistert zugleich in zahlreichen Kunstbereichen, vom warmen, einerseits retro- klassischen, andererseits modernen Klang, durch wunderschöne, herzergreifende und im Innersten anrührende Melodien, den instrumentalen Professionalismus, räumlichen Klang bis zum breiten Katalog  von individuellen, instrumentalen Fähigkeiten und den nicht oberflächlichen, Deutsch gesungenen Texten der Songs. In dem Musikuniversum der Gruppe Polis findet man Power mit rockiger Empfindlichkeit befreundet, ins Ohr flüsternde Akustik, die mit der hardrockiger, klassischer Ausdruckskraft flirtet, den Klangminimalismus und Bescheidenheit des Stückes „Abendlied” einerseits und hymnisches, episches Werk „Leben” andererseits.

           

Ein wichtiger Aspekt ist auch die Tatsache, dass die Musik von dem Album „Weltklang” einen sehr vielfältigen Charakter hat, weil jeder Rockhörer beliebte Phrasen für sich findet, vom klassischen Hard- und Progrock, durch psychedelische Einflüsse bis zu den Akzenten der Musikklassik. Der spezifische, stilistische Eklektizismus ist die treibende Kraft dieser Musik, der acht aufgenommenen Kompositionen, die im Programm der Plattenveröffentlichung stehen. Und ich werde nicht zögern, eindeutig meinen Standpunkt zu äuβern, wir haben mit „Musik zur Kunst erhoben” zu tun.

         

Das Interview mit Marius Leicht, dem Produzenten, Komponisten, Instrumentalisten und Musikschöpfer in polnischer Online-Musik-Zeitschrift Heavy Metal Pages kann gute Anregung sein, den Inhalt des Musikalbums „Weltklang” kennenzulernen. In dem Interview hat Marius Leicht seine Ansicht zu vielen, nicht nur musikalischen Fragen geäuβert. Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Textes, sowohl über die vergangenen Jahre, als auch über die Gegenwart der aus der sächsischen Stadt Plauen kommenden Band Polis.

              

HMP: Hi, Mein Name ist Włodek Kucharek und ich vertrete die polnische Online- Musikzeitschrift, Heavy Metal Pages (HMP). Wir bereiten für die nächste Schriftnummer den Stoff über das letzte Album der deutschen Band Polis vor. Deswegen würde ich Dich bitten, auf die unten genannten Fragen zu antworten.

Marius Leicht: Hallo Włodek, vielen Dank, dass Du auf mich zugetreten bist. Gern werde ich Deine Fragen beantworten.

HMP: Ich hoffe, dass Du nichts dagegen hast, aber ich möchte mit einigen Fragen anfangen, die sich direkt auf Deine Biografie und Musikkarriere beziehen. In Deiner Vita habe ich gelesen, dass Du ausgebildeter Musiker mit dem Hochschuldiplom bist. Dies ist im Kreis der Rockmusiker nicht so häufig zu treffen. Warum hast Du dich entschlossen in solche Richtung zu gehen? Das Studium der Musikwissenschaft hat Dich positiv eingewirkt?

M.L.: Ja, das ist richtig. Ich habe an der Hochschule für Musik Carl-Maria-von-Weber in Dresden bei Matthias Bätzel und Jens Wagner Klavier mit Richtung Jazz/Rock/Pop studiert. In den letzten Jahren meiner Schulausbildung machte ich mir Gedanken über meinen weiteren Lebensweg. Ich spielte zu der Zeit schon in mehreren Bands und Musik spielte eine große Rolle in meinem Leben. So war mir schnell bewusst, dass ich diesen Weg weiter beschreiten will. Glücklicherweise standen meine Eltern bei dieser Entscheidung hinter mir und sagten nicht: „Lern erst mal was richtiges“… 

Ein Studium interessierte mich deshalb, weil es mir die Möglichkeit und die Rechtfertigung geben würde, mich den ganzen Tag mit Musik zu beschäftigen und mich mit anderen Musikern in verschiedenen Bands und unterschiedlichen Stilistiken ausprobieren zu können. Bei dem Wunsch, nach Dresden zu gehen, hatte ich auch einen Hintergedanken: Ich kannte den dortigen Professor Matthias Bätzel bereits von verschiedenen Konzerten mit Manfred Krug als hervorragenden Hammond-Orgel-Spieler und hoffte, von ihm auch die eine oder andere Lektion auf diesem Gebiet zu erhalten. 

Da mir klar war, dass ich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gut genug war, um eine Aufnahmeprüfung zum Klavierstudium zu bestehen, nahm ich Jazz-Piano Unterricht bei Stefan Nobis, der zusammen mit Matthias Bätzel in Weimar studiert hatte und übte nach dem Schulabschluss während des Zivildienstes ein Jahr lang mehrere Stunden täglich. Schliesslich schaffte ich die Aufnahmeprüfung und konnte das Studium in Dresden beginnen.

HMP: Mit 10 hast Du schon Deine Bildung in der Musikschule begonnen.  Warst Du schon in diesem Alter davon überzeugt, dass Du dich mit der Musik professionell beschäftigen willst? Bist Du von der Musik „süchtig“? In der Freizeit hörst Du Rock, Jazz oder Klassik?

M.L.: Ich hatte zunächst Keyboardunterricht in der Yamaha Musikschule - mit Begleitautomatik und einstimmigen Melodien. Mein Lehrer Wolfgang Ritter - eigentlich Jazztrompeter - erkannte aber schnell, dass mein Interesse darüber hinausging und liess mich parallel zum vorgegebenen Unterrichtsschema auch hin und wieder eine Bach-Invention und dergleichen spielen.

In diesem Alter war die Musik zwar schon sehr wichtig für mich, aber den Gedanken, das später professionell zu machen, hatte ich noch nicht. Da ich eigentlich den ganzen Tag mit Skateboardfahren beschäftigt war, kam das Üben auch oft zu kurz…

Meine Hörgewohnheiten sind sehr vielfältig. Eigentlich kommt es mir gar nicht auf eine bestimmte Richtung an, sondern eher darauf, diesen unbeschreiblichen inneren Drang wiederzufinden, aus dem auch unsere Musik bei Polis schöpft. Es gibt in jeder Stilrichtung und Epoche Musik, die oberflächlich und floskelhaft bleibt und welche, die mich im tiefsten Grunde meines Wesens „packt“. Manchmal gibt es diesen Kontrast sogar bei ein und demselben Künstler. Beispielsweise - mancher wird mich für diese Ansicht als Ketzer bezeichnen - bei Mozart. Einige seiner Tänze nehme ich ähnlich war, wie den lustlosen Kommerz in großen Teilen der heutigen Popmusik. Seine geistliche Musik hingegen, allem voran das Requiem in d-moll, rührt mich zu Tränen, weil sie aus dem tiefen Kern des Universums zu entspringen scheint. Gleiches ist im Jazz zu beobachten. Belanglos plätschernde „Fahrstuhlmusik“ und sportliche Instrumentalwettkämpfe auf Musikmessen lassen mich kalt, hingegen stehen die Klavierimprovisationen eines Keith Jarrett oder genrebildende Platten wie John Coltranes „A Love Supreme“ oder Miles Davis’ „Kind of Blue“, einige Alben des Mahavishnu Orchestra oder, um den Bezug zu Polen herzustellen, das großartige Album „Księga Chmur“ von Ossian der Genialität der großen Meister der Klassischen Musik auf der Ebene dieses Drangs nach Schöpfertum in nichts nach. Auch in der Popmusik findet sich das Phänomen, beispielsweise im Vergleich des Früh- und Spätwerkes der Beatles. Ich könnte diese Gegenüberstellung in vielen Kategorien fortsetzen.

Nach dieser Urkraft des Schöpfertums suche ich sowohl beim Hören, als auch beim Schaffen von Musik. 

HMP: Was oder wer hatte den größten Einfluss auf Deine Entscheidung, das Klavier und alle möglichen Tasten  zu spielen?

M.L.: Der Grund, weshalb meine Wahl auf die Tasteninstrumente fiel, mag kindlich naiv klingen: Ich wollte Keyboard lernen, weil ich damit all die verschiedenen Instrumente spielen könnte, die man an dem Gerät einstellen kann: Klavier, Streicher, Gitarre, Bass, sogar Schlagzeug!

Im Grunde hat sich dieser Traum aber gehalten und in gewisser Weise bewahrheitet. Das Klavier verleiht mir wegen seines großen Ton- und Dynamikumfanges und der Polyphonie die Möglichkeit, mir beim Komponieren und Arrangieren auch andere Instrumente vorzustellen und zu imitieren und gibt mir wegen des vergleichsweise einfachen optischen Zuganges den besten Überblick über die musikalischen Vorgänge eines Stückes.

Auch bei meiner Arbeit mit Synthesizern begreife ich den Zusammenschluss der verschiedenen Geräte als ein Orchester mit verschiedenen Stimmen, das ich gewissermaßen „dirigiere“.

HMP: Welche Musiker und Komponisten, Klassiker, Jazz- oder Rockmusiker kann man im Kreis Deiner Vorbilder finden? Welchem der von Dir genannten hast Du etwas, natürlich in künstlerischer Hinsicht, zu verdanken?

M.L.: Hier ist sicherlich zu allererst Jon Lord zu nennen. Ich mag 12 Jahre alt gewesen sein, als mein Vater - selbst Musiker und Musikliebhaber - das legendäre Livealbum „Made in Japan“ von Deep Purple nach Hause brachte und auflegte. Beim zweiten Stück, „Child in Time“ war es um mich geschehen. Ich fragte, was das für ein Instrument sei, das mich da verzauberte und mein Vater erklärte mir, dass es sich um eine Hammond B3 handele. Ab da war klar, dass ich unbedingt irgendwann auch einmal so ein Instrument spielen wollte. Ich habe mir zunächst mit Orgelklängen aus meinem Keyboard beholfen und versucht, alle Hammond-Soli der Platte herauszuhören und nachzuspielen. Später gab es Softwareplugins und spezialisierte Keyboards mit Hammond Sounds. Schliesslich habe ich mir nach dem Studium den Traum erfüllt und mir eine echte Hammond Orgel gekauft.

Ebenfalls meinem Vater zu verdanken habe ich die Liebe für die Beatles. Als der eiserne Vorhang fiel und meine Eltern zum ersten mal nach Westdeutschland fahren durften, wurde vom „Begrüßungsgeld“ ein CD Player nebst Gesamtausgabe der Beatles erstanden. Diese Musik hat mich in meiner Kindheit geprägt und behält bis heute ihre Faszination - insbesondere die für die damalige Zeit experimentellen Produktionstechniken unter der sicherlich maßgeblichen Führung von George Martin auf den späteren Alben. Die Keyboard Soli von Billy Preston waren ein Wegweiser für spätere Exkursionen in Jazz und Gospel.

Solcherart musikalisch aufgewachsen, führte natürlich auch kein Weg an Pink Floyd vorbei. Später hatte ich sogar eine Pink Floyd Tribute Band namens Inside Out zusammen mit meinem Vater und beschäftigte mich dort eingehend mit dem musikalischen Habitus und dem Sound-Design von Rick Wright. 

Während des Studiums beschäftigte ich mich gerne mit Herbie Hancock, Chick Corea, Oscar Peterson, Keith Jarrett, Bill Evans, Jimmy Smith, Larry Young, Larry Goldings, Jon Medeski, aber auch Jordan Rudess, Derek Sherinian oder Keith Emerson. Oft waren es aber auch Musiker anderer Instrumente, die mich beeinflussten, wie Beispielsweise das Solospiel von David Gilmour, Miles Davis, Wayne Shorter, um nur einige wenige zu nennen. 

HMP: Wie geht es zur Zeit mit Deinem Videokanal „Klangteppich“? Ist das sozusagen der Ausgangspunkt für die von Dir komponierte Tanz-und Theatermusik?

M.L.: Das Projekt Klangteppich entstand aus dem Wunsch heraus, den Klang der vielen Tasteninstrumente, die ich aus Leidenschaft über die Jahre angesammelt hatte, einem Publikum zugänglich zu machen. So startete ich einen Youtube Kanal, der diese Instrumente meist einzeln klanglich vorstellte. Daraus entwickelte sich aber über die Zeit für mich eine musikalische Sprache, die die Liebe für freie Improvisationen, der ich schon in frühen Jahren nachging, mit auskomponierten Elementen und dem speziellen Klang der Synthesizer verbindet. Bislang war diese Entwicklung eher unabhängig von Polis, aber die Kollegen ermutigen mich immer wieder, etwas mehr davon auch im Bandkontext einfließen zu lassen. Das werden wir auf dem nächsten Album sicherlich auch verfolgen.

Durch die Arbeit an „Weltklang“ hatte ich recht wenig Zeit für das Projekt, ich plane aber, demnächst mit der Arbeit an einem Klangteppich Album zu beginnen.

HMP: Hast Du bei der Gründung von Polis mitgemacht? Erinnerst Du dich daran  , wer auf Idee gekommen ist, eine Rockband zu gründen?

M.L.: Bis auf einen Wechsel am Schlagzeug, etwa ein Jahr nach Bandgründung, ist Polis noch in der Anfangsbesetzung. Wir kannten uns schon teilweise untereinander, der Gitarrist hatte mit dem Sänger eine Band, der Sänger mit dem damaligen Schlagzeuger eine andere Band und ich selbst hatte mit dem Bassisten gerade an einem Studio Projekt zusammengewirkt. Er war es schließlich, der das ganze zusammengeführt hat, da er auf der Suche nach Musikern für ein Projekt mit eigener Musik war. Er sah Christian bei einem Konzert seiner Band und war sehr angetan von dessen Stimmgewalt. Es gab jedoch eine Bedingung für Christian: Es sollte bei dem neuen Projekt in deutscher Sprache gesungen werden. Zunächst ungewohnt, fühlte er sich schnell wohl damit und heute können wir uns das alle im Traum nicht anders vorstellen. 

Es hat sofort gefunkt bei der Zusammenstellung der Musiker, hat sich wie ein „nach Hause kommen“ angefühlt, sich musikalisch und auch spirituell so gut untereinander zu verstehen.

Wir alle hatten zuvor schon in vielen Besetzungen gespielt, teils mit eigener Musik, oft mit Covermusik. Das hat meistens auch Spaß gemacht, aber es war oft das Gefühl im Hintergrund, eine Dienstleistung zu erfüllen. Bei Polis war nun für alle spürbar eine neue Qualität aufgetaucht; Dieser zuvor erwähnte Schöpferdrang. Daher gab es kein Zurück und wir begannen umgehend mit der Arbeit an unserem ersten Album.

HMP: Soweit ich Bescheid weiβ, alle Mitglieder des Quintetts kommen aus Plauen, oder aus der Gegend von Plauen, also aus der ehemaligen DDR. Habt Ihr euch für das musikalische Rockerbe der DDR-Bands, z.B. Stern- Combo Meiβen, Pudhys, Karat oder Electra aus Dresden, interessiert?

M.L.: Ja, wir alle sind in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Natürlich sind wir deshalb auch in Berührung mit den genannten und vielen weiteren DDR-Bands gekommen. Andreas und ich standen auch mit DDR-Musikern wie Reinhard Fißler (Stern-Combo Meißen), Thomas Kurzhals (Stern-Combo Meißen, Karat), Dirk Zöllner, Jäcki Reznicek (Silly, Pankow), Uschi Brüning u.v.m. auf der Bühne.

Ganz bewusst zum Vorbild genommen haben wir uns die sogenannte Ostrock-Musik nicht. Dass unsere Musik öfter damit verglichen wird, mag zum einen daran liegen, dass einige der genannten Bands ihrerseits deutlich hörbar Vorbilder hatten, die sich auch in unseren Einflüssen wiederfinden (Emerson, Lake & Palmer, Pink Floyd oder auch die Orientierung an Orchesterwerken der Romantik, insbesondere bei Electra und Stern-Meißen). Parallelen in der Instrumentierung (beispielsweise der häufige Einsatz von Hammondorgel und Minimoog) lassen sich auch ziehen. Vielleicht kann man aber auch so kühn sein und viel weiter zurückdenken und den alten Geist des Ortes anführen, aus dem die Musik entspringt und der die Künstler hier durchdringt. Schließlich schufen eine Vielzahl der großen Komponisten und Literaten vergangener Epochen ihre großen Werke in Ostdeutschland: Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann, Johann Pachelbel, Heinrich Schütz, Carl-Maria von Weber, Franz Liszt, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller und viele mehr. Mit etwas Phantasie kann man durchaus so etwas wie einen gemeinsamen Geist in den Werken jener Künstler erkennen, aus dem sich sicher auch die Musik einiger Ostrock Bands und eben auch die Musik von Polis speist. 

HMP: Da Polis weit und breit in meinem Land nicht bekannt ist, kannst den polnischen Rockfans ganz kurz die Besetzung der Gruppe vorstellen?

M.L.: Polis besteht aus:

Christian Roscher, Gesang

Christoph Kästner, Gitarre

Marius Leicht, Tasteninstrumente

Andreas Sittig, Bass

Sascha Bormann, Schlagzeug

HMP: Als Polis wird der typische Staatsverband im antiken Griechenland, auch Urform der Demokratie bezeichnet. Gibt es einen richtigen Grund, warum eine Rockgruppe so genannt worden ist?

M.L.: Wir wollten unsere Musik auch stets als politisches Statement verstanden wissen. Auch wenn der Fokus mittlerweile eher auf Seiten der Spiritualität liegt, so ging und geht es uns ums Miteinander. Danach streben wir mit der Kraft der Musik. Sie ist unsere innere Freiheit. Und wir bauen darauf, dass die innere irgendwann die äußere Freiheit manifestiert.

HMP: “Weltverbesser“, solche Bezeichnung Eurer Band  hab‘ ich in einer der Rezensionen gefunden. Was macht die Gesellschaft, die Menschen, das Netz krank und wie kann  die heutige Welt von Euch verbessert werden?

M.L.: Der Mensch ist seiner selbst entrückt. Der Verstand - einstmals ein Werkzeug im Dienste des Selbst - hat ein Eigenleben entwickelt und spielt dem Menschen in Form des Egos die Illusion vor, dass die Gedanken der Kern seines Wesens seien. Der fundamentale Irrtum von René Descartes, „Ich denke, also bin ich“ bringt dies zum Ausdruck. Die großen Religionen weisen in ihrem Kern alle auf die selbe Erkenntnis hin: Wenn die Herrschaft der Gedanken (und damit die Illusion von Vergangenheit und Zukunft, sowie die Illusion des Egos) überwunden wird, kann der Mensch sein ursprüngliches, reines Sein wahrnehmen, von dem er so entfremdet ist. Dies kann für einen kurzen Moment passieren - wenn wir zum Beispiel Musik hören oder machen und dabei völlig im Jetzt aufgehen, können wir das spüren. 

Wenn wir den psychoanalytischen Begriff der Projektion - im Geiste von Carl Gustav Jung - zur Betrachtung unseres Umfeldes heranziehen und das gesamte Weltgeschehen als Entfaltung unseres eigenen Unbewussten, des Schattens unseres Selbst ansehen, so ist es nicht verwunderlich, dass sich das Chaos unserer Innenwelt auch im Aussen widerspiegelt; so für uns sichtbar wird. Was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass wir genau dann zu „Weltverbesserern“ werden, wenn wir in uns gehen und unsere eigene Seele betrachten, mit uns selbst ins Reine kommen. „Erkenne Dich selbst“ - wie es die berühmte Inschrift über dem Eingang des Apollo Tempels von Delphi forderte. Dies könnte als Zusammenfassung unserer Texte und Musik gelten.

HMP: Zurück zur Musik! Die Liedtexte von Polis werden von Christian Roscher Deutsch gesungen. Kein Englisch! Einerseits für mich logische und richtige Entscheidung, deutsche Musiker singen in der Muttersprache, aber andererseits gibt es die Tendenz, die globale Sprache also Englisch zu gebrauchen. Wo liegt der Grund für diese Wahl?

M.L.: Mit dem Singen in englischer Sprache gibt es eine Art Paradox: Zum einen ermöglicht es diese Weltsprache, von einer Vielzahl von Menschen verstanden zu werden. Auf der anderen Seite aber verstecken sich viele Künstler hinter den oberflächlichen Phrasen im Englischen, weil es erstmal cool klingt, auch wenn man eigentlich nichts zu sagen hat (hier sei es mir als bekennender großer Fan der Band gestattet, den Text von Deep Purples „Highway Star“ als Beispiel anzuführen, um mich nicht in Tiraden über die noch viel stumpferen Textverbrechen des aktuellen Mainstreams zu verlieren). Worin liegt nun aber der Sinn, eine allverständliche Sprache zu verwenden, wenn man eigentlich keine Inhalte zu vermitteln hat? Da wir durchaus etwas zu sagen haben, verwenden wir daher unsere Muttersprache, da wir uns in ihr natürlicherweise am besten auszudrücken vermögen und auch, weil die deutsche Sprache, ähnlich der polnischen, eine sehr farbenreiche Sprache ist, die über einen der größten Wortschätze verfügt. 

Weil derzeit die Aufmerksamkeit eines internationalen Publikums für unsere Musik ansteigt, werden wir über kurz oder lang unsere Kommunikation auf Englisch umstellen. Die Sprache unserer Kunst wird aber ganz sicher die Deutsche bleiben.

HMP: Das Album Weltklang“ wurde in Peter Gabriel’s Real World Studios gemischt und gemastert. Die Musik von Peter Gabriel, auch früher Genesis, weiter Pink Floyd, Frumpy, John Coltrane, Gustav Mahler, also sehr breites Spektrum von Inspirationen. Auf welche Weise regen Euch die genannten, sich voneinander so stark unterscheidenden Künstler zum Schaffen an? 

M.L.: Zum Mischen der Aufnahmen wollten wir etwas Abstand zum eigenen Werk und da insbesondere Andreas, Christian und ich selbst seit vielen Jahren Peter-Gabriel-Fans sind und vor Allem den außergewöhnlichen Klang seiner Platten schätzen, fiel die Wahl auf dessen Real World Studio, wo wir in Oliver Jacobs einen meisterlichen Experten fanden, der dem Mix eine bemerkenswerte Präsenz und zugleich Tiefe verlieh. Er stellte sich andererseits auch sehr schnell auf unsere Klangästhetik ein und setzte unsere oft sehr spezifischen Vorstellungen zielsicher um.

Was die Einflüsse anderer Künstler angeht, so lassen uns weniger von konkreten Riffs oder Harmoniefolgen inspirieren, sondern eher von abstrakten Qualitäten wie zum Beispiel dem „Sich-Zeit-lassen“ bei Pink Floyd, dem fließenden Harmonieeinsatz bei Mahler oder dem Ansatz, feste Songs auf der Bühne mit freien Improvisationen zu durchsetzen bei Motorpsycho. 

HMP: Die Band hört sich sehr professionell an, Musik mit sehr hoher Klangqualität, einerseits räumlich und kohärent, andererseits warm und stimmungsvoll. Legt Ihr groβen Wert auf die technischen Einzelheiten? 

M.L.: Ja, die technischen Details sind uns - stets im Dienste des Wohlklanges - durchaus wichtig. So experimentierten wir beispielsweise sehr ausgiebig mit den verschiedensten Mikrofonen, die uns ein befreundeter Sammler zur Verfügung stellte, um den Gesang aufzunehmen. Das Frequenzbild sollte gut zu Christians Stimme passen und wir hatten diesen speziellen, direkten Klang für den Gesang im Sinn, der so oft als „In-your-face“ bezeichnet wird. Nach ausgiebigen Experimenten und mehrmaligen Blindtests sind wir dann tatsächlich beim Klassiker für diesen Klang gelandet, dem Neumann U47, einem alten Röhrenmikrofon aus den 1940er Jahren. Damit nicht genug, experimentierten wir weiter bei der Auswahl des Vorverstärkers. Wie klingt das Mikrofon mit einem Röhrenvorverstärker, wie mit verschiedenen Transistorgeräten? Ein altes Gerät aus DDR-Runfunkbeständen oder lieber ein modernes Gerät? Wir ruhten nicht, bis wir den perfekten Klang für den Moment gefunden hatten und diese Akribie zog sich durch den gesamten Aufnahmeprozess. Wir haben dabei viel gelernt und sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

HMP: Ich habe schon irgendwo eine These gelesen, dass zu viel Technik und zu wenige Gefühle die Musikrezeption  stören können. Inwieweit kann Produktionsverfahren im Musikstudio auf die Musikrezeption einwirken? Warum habt Ihr euch entschlossen, das Album diesmal nicht in dem alten zu Eurem Studio umgebauten Fabrikgebäude, sondern in Real World Studios aufzunehmen.

M.L.: Das ist nicht ganz richtig. Aufgenommen haben wir das Album in unserem Weltklang Tonstudio, das wir eigens zu diesem Zweck aufgebaut haben. Lediglich zum Mischen und Mastern der fertigen Aufnahmen sind wir in die Real World Studios gefahren.

Die Art der Musikproduktion kann schon erheblichen Einfluss auf die Rezeption haben. Beispielsweise stellt sich bei einer Studioaufnahme die Grundsatzfrage: Werden die Instrumente einzeln, nacheinander aufgenommen oder spielt die Band komplett zusammen? Die erste Variante bietet mehr künstlerische Möglichkeiten und lässt ein umfangreicheres Formen der einzelnen Klänge zu. Das Ergebnis wird sich aber für den Hörer mehr wie ein künstlich erschaffenes Produkt aus isolierten Bestandteilen anfühlen. Das gleichzeitige Aufnehmen aller Musiker im Zusammenspiel lässt weniger Eingriffe in Klang und Darbietung zu, aber am Ende wird für den Hörer ein unmittelbarerer Eindruck entstehen. Als würde die Musik im Moment des Hörens neu für ihn erschaffen. Beide Varianten haben ihre Vorzüge, ich würde nicht sagen, dass eine generell besser ist, als die andere. Für die Musik von Polis haben wir jedoch stets bevorzugt, die ganze Band gleichzeitig aufzunehmen, um den besagten Effekt zu erzielen. Wir sind als Band auf der Bühne eine Einheit und wollen möglichst viel von diesem Eindruck auch auf unseren Studioalben transportieren. Allerdings haben wir bei Weltklang auch für uns neue Wege beschritten. Da wir diesmal keinen externen Produzenten hatten und ausreichend Zeit zur Verfügung stand, konnten wir auch damit experimentieren, z.B. das Stück Mantra im Studio während des Aufnehmens entstehen zu lassen und die beiden beschriebenen Prozesse verschmelzen zu lassen. Dazu haben wir bei diesem Stück zuerst den hinteren Teil gemeinsam als Band aufgenommen und später den vorderen Teil im Schichtverfahren ergänzt, wobei wir verschiedene Klänge ausprobieren konnten. Auch die Verdichtung des Gesanges erfolgte durch Overdubs unserer eigenen Stimmen, sowie der späteren Aufnahme eines Chores, bestehend aus unseren Familien und engen Freunden.

HMP: Die nächste Sache, nach der ich fragen muss, die groβe Vorliebe zum Klang der 70-er Jahre, weil das neueste Album analog, also durch Hammond B3, alte Synthesizer, Vintage Gitarrenverstärker instrumentiert wurde. Woher kommt diese Sehnsucht nach dem altmodischen Retroklang der vergangenen Zeiten von ziemlich jungen Künstlern? 

M.L.: Der Klang von Hammondorgel, Fender Rhodes Piano und Analogsynthesizern ist für mich nicht eigentlich „Retro“. Ebenso wie der Flügel oder die Kirchenorgel sind das für mich einfach zeitlose Instrumente. Sicherlich wurden diese Klänge in den 70er Jahren verstärkt eingesetzt und wurden zeitweise von digitalen Klängen verdrängt. Daher kann ich nachvollziehen, wie es kommt, daß wir häufiger diesen Stempel aufgedrückt bekommen. Aber es ist nicht unser Ansinnen, den Klang vergangener Stilepochen zu imitieren. Vielmehr nutzen wir die Instrumente, die für uns die organischsten Ausdrucksmöglichkeiten bieten. Die gewissermaßen auf unser Spiel „antworten“, uns eine Rückkopplung bieten. Eine echte Hammondorgel „lebt“ unter den Fingern, man baut eine Verbindung zu den Instrumenten beim Spielen auf. Sie haben auch „Launen“; Christophs Verstärker klingen von Tag zu Tag und von Ort zu Ort unterschiedlich und auch das macht einen Teil des Zaubers aus. Virtuelle Plugins und Amp-Simulatoren können das nicht bieten.

Und auch, wenn diese Elemente im Klang auftauchen, finde ich, dass der Sound von Polis und insbesondere des Weltklang Albums durchaus modern und eigenständig ist. 

HMP: “Weltklang“ ist eklektisch, in der Musik sind die Einflüsse zahlreicher Stilelemente zu finden, unter anderem Hard- , Heavy- Space-, Psychedelic-, Prog Rock. Starke Kontraste kann man auch zwischen  den einzelnen Stücken beobachten, von dem mit viel Feingefühl gesungenen und instrumental  minimalistischen „Abendlied“, durch dynamischen und kraftvollen „Gedanken“ bis zum hymnischen, epischen „Leben“. Stimmst Du  dieser Meinung zu? Woher ergibt sich solche Verschiedenheit? 

M.L.: Das ist richtig. Wir alle haben einen sehr vielfältigen Musikgeschmack, der sich durch den Zusammenschluss von Fünf Persönlichkeiten noch weiter verbreitert. So finden viele verschiedene Elemente Einzug in unsere Musik und wir können uns auch stetig gegenseitig neue, interessante Musik empfehlen. Wir haben uns als Band auch keine stilistischen Grenzen gesteckt, begreifen uns nicht als „Prog Rock“-Band oder „Psychedelic Rock“-Band oder dergleichen. Diese Einordnung überlassen wir ganz den Hörern und das wird sich sicherlich auch mit unserer Entwicklung von Album zu Album verschieben. 

HMP: Die Platte „Weltklang“ begeistert mit eingängigen Melodien, einerseits hymnenhaften , andererseits sehr melancholischen und emotionalen Passagen und mit Heavy-Rock  Akzenten. Bist du dir bewusst, wie großen Eindruck macht die Musik von Polis auf Zuhörer, welches emotionale Potential sie in sich trägt?  

M.L.: Wir sind uns bewusst, welche Emotionen wir in die Musik hineingelegt haben, oder vielmehr unter welchen Emotionen sie sich entwickelt hat. Was dann beim einzelnen Hörer daraus wird, welche Teile dieses Gefühlsspektrums in Resonanz mit dessen Persönlichkeit gehen, wird durchaus verschieden sein. Und das ist ja auch das spannende am Musik hören - dass das scheinbar fixe Werk sich in der Wahrnehmung ständig wandelt - von Hörer zu Hörer unterschiedlich aufgefasst wird und sogar bei ein und dem selben Hörer über die Zeit hinweg unterschiedliche Emotionen ans Licht bringt.

HMP: Was waren die Quellen Eurer Inspiration für kreative Arbeit an diesem Musikwerk? In einem der deutschen Pressebeiträge hab‘ ich folgende Hinweise gefunden: Liebe, Hoffnung, Menschlichkeit, Politik.

M.L.: Neben dem stetigen Hören vieler verschiedener Musik ist sicherlich unsere gemeinsame spirituelle Reise als Band die größte Inspiration für die kreative Arbeit. Wenn wir uns zum Proben und Komponieren treffen, tauschen wir uns stets erst einmal über unsere Wahrnehmung des Zeitgeschehens aus, über Selbsterkenntnis und persönliche Gefühle, die uns gerade bewegen. Ohne diese erweiterte Ebene über der Musik würde diese Band nicht funktionieren.

HMP: Nachdem ich zum ersten Mal alle Kompositionen mit Kopfhörern (so bin ich gewohnt) durchgehört hatte, fiel mir ein: Oh, Scheiβe , welcher Klang, Orgelpassagen, Gitarrenriffs, Melodien, Dynamik, Energie, Emotionalität und Enthusiasmus. Mit einem Wort: Gänsehauteffekt! Bist Du auch der Ansicht (keine falsche Bescheidenheit!), dass die genannten Komponente im Raum des „Weltklangs“ enthalten sind?

M.L.: Bescheidenheit zählt ohnehin nicht zu den Stärken von Polis. ;-) Insofern würde ich sagen, wenn wir die genannten Elemente nicht in unserer Musik wiederfinden würden, hätten wir von vorne begonnen. Es hat fast 6 Jahre gedauert, bis wir dieses Album fertiggestellt haben.

Unter anderem deshalb, weil wir sehr selbstkritisch sind und so lange an den Stücken feilen, bis wir wirklich damit zu Frieden sind. 

HMP: Wie jeder Zuhörer habe ich auch meine Favoriten. Das totale Highlight der Platte ist für mich der Song „Leben“. Das Rockgedicht entwickelt sich nach der Maxime vom weltbekannten Filmreggiseur Alfred Hitchcock „Erst kommt ein Erdbeben und dann steigt die Spannung“. Das poetische Rezitieren von Christian Roscher , Tastenintro, nach ein paar Sekunden Schlagzeug- und Gitarrenschlag, wunderschöne Melodie und einige Spacerockgeräusche gestalten dieses epische Werk. Seid Ihr stolz auf das Endergebnis? Oder würdest Du an diesem Lied etwas verbessern?

M.L.: Natürlich wandelt sich der Geschmack und die Betrachtungsweise auf die eigene Arbeit mit der Zeit und auch die Ansprüche an die Ergebnisse wachsen stetig. So gibt es bei den vergangenen Alben durchaus Dinge, die wir mittlerweile anders machen würden. Aber da Weltklang gerade noch sehr frisch ist, und wir keine Kompromisse zugelassen haben, bis wir wirklich mit allem auf dem Album vollkommen zufrieden waren, würde ich im Moment nichts finden, das ich ändern würde. 

Ja, für den Moment sind wir durchaus stolz auf das Endergebnis und freuen uns, dass es auch von der Kritik so positiv aufgenommen wird.

HMP: Das Problem besteht darin, dass „Leben“ keine Chance hat, durch die Medien popularisiert zu werden. Länger als sieben Minuten, mit sich verändernder Rhythmus- und generell Klangstruktur, verlangt vom Empfänger Aufmerksamkeit und Geduld bei der Rezeption. Das alles steht im Widerspruch zum Charakter der zeitgenössischen Internetgeneration. An wen wendet ihr euch also mit dieser hochmusikalischen- und intelligenten Kost für Hirn und Seele?

M.L.: Letztendlich gibt es gar keinen wirklichen Adressaten bei unserer Musik. Es ist nicht so, dass wir beim Komponieren das Publikum im Auge haben und die Songs auf einen bestimmten Zweck zuschneiden. Vielmehr fühlt es sich so an, als wolle etwas aus uns heraus oder durch uns hervorgebracht werden. Wir formulieren das dann unserem persönlichen Geschmack entsprechend. Wenn es aber eben wie zum Beispiel bei Leben nach einem Gitarrensolo schreit, dass sich dynamisch von Null aufbaut, dann gehorchen wir diesem Impuls und machen uns keine Gedanken um beispielsweise die „Radiokompatibilität“.

Selbstverständlich wünschen wir uns ein möglichst großes Publikum. Aber dieser Wunsch darf unserer Ansicht nach beim Komponieren keinen Einfluss haben.

HMP: Nummer zwei auf meiner Liste ist das subtile „Abendlied“, also Gute-Nacht-Lied, Titel entsprechend der Songstimmung, im gewissen Sinne instrumental minimalistisch. Ich denke, dass das Lied die Rolle einer Brücke zwischen den drei ersten klanglich sehr intensiven Stücken und den vier nächsten erfüllt, so ein Beruhigungsmittel aller Emotionen. Oder, wie sieht das aus deiner Sicht?

M.L.: Ja, das Abendlied ist eine Zäsur. Wir haben es auf der Schallplatte auch so platziert, dass es am Ende der ersten Seite steht, bevor man die Platte umdreht und mit dem Schlagzeuggewitter von Sehnsucht einen Neubeginn erfährt. Allerdings war Weltklang nicht als richtiges Konzeptalbum geplant, wir haben die Stücke separat über einen langen Zeitraum geschrieben und uns gegen Ende Gedanken gemacht, wie wir diese zu einem stimmigen und fließenden Gesamtbild anordnen. Die finale Entscheidung über die Titelreihenfolge fiel im Bandbus bei der Heimreise von England nach der Mixing Session im Real World Studio, als wir die fertigen Songs zusammenhängend anhören konnten.

Text und Melodie des Abendliedes hat Christian unmittelbar vor der Geburt seiner ersten Tochter geschrieben, weil ihn das Gefühl umtrieb, ein Kind in eine kaputte Welt eingeladen zu haben. Er stellte mir eine Gesangsaufnahme davon als Skizze für ein Polis Stück vor. Ich unterlegte es am Klavier mit Akkorden, fügte das Vor- und Zwischenspiel hinzu und stellte es dann mit Christian den anderen Bandmitgliedern vor, eigentlich im Ansinnen, ein größeres Bandarrangement daraus zu machen. Es gab dann jedoch bei allen sofort den Wunsch, das Stück so minimalistisch zu belassen und ausschließlich mit Klavier zu begleiten.

Auch hier trieb uns die Suche nach dem richtigen Klang um. Ich hatte für das Klavier und den Gesang einen sehr intimen, direkten Sound im Sinn, der so klingt, als würde man tatsächlich ein Schlaflied für ein Kind spielen, sehr zurückhaltend und behutsam. Die ersten Aufnahmen mit einem größeren Steinway-Flügel und nachträglich aufgenommenen Gesang klangen zwar sehr professionell, aber transportierten nicht dieses Gefühl, muteten zu laut und sonor an. Schliesslich nahmen wir das Stück komplett neu auf, diesmal zusammen und nicht im Studio, sondern in unserer Wohngemeinschaft, zur Abendstunde und in den benachbarten Zimmern schliefen tatsächlich Kinder, sodass wir sehr behutsam spielen mussten, um sie nicht zu wecken. Ich hatte das Klavier mit einer selbst gebauten Filzleiste bedämpft, sodass es leiser und dunkler klingt. Mit diesem Klang waren wir zufrieden und alle Kinder schliefen friedlich bis zum Morgen.

HMP: Auf Platz drei sehe ich den Song „Mantra“, der so wie ein Psalm klingt, Gesang wie Ritterchor. Die Stimmung , Gesang, Tempo, assoziiere ich mit einigen Szenen aus dem Film „Braveheart“, Titel der Hymne adäquat dem Inhalt. Erinnerst Du dich daran, wie dieses Thema entstanden ist?

M.L.: Auch hier stand am Anfang eine Melodie und Textskizze von Christian. Wir experimentierten zunächst mit einer Sitar als Teppich für den Gesang, das war uns aber zu klischeehaft für ein Mantra, deshalb wurden wir etwas experimenteller und ich spielte einen einstimmigen Begleitrhythmus auf dem Grundton des Stückes, indem ich eine Saite im Flügel mit dem Gitarrenplektrum anriss. Dieser Rhythmus besteht aus einem recht komplexen Wechsel von verschiedenen Taktarten, um zugleich fließend und doch in sich unergründlich und spannend zu bleiben. Das machte es später beim Aufnehmen des Chores schwierig, alle Einsätze zu treffen und ich musste schließlich noch als Dirigent einspringen. Nach dem mantrischen Gesang sollte ein Schlagzeugsolo den Höhepunkt des Stückes bilden, denn die Trommeln haben seit je her eine gewichtige spirituelle Kraft in der Musik, spielen meist aber nur eine Begleitfunktion. Wir haben diese Stelle des Stückes wieder gemeinsam als Band eingespielt und Sascha beim Aufnehmen durch viele Wiederholungen die Möglichkeit gegeben, sich in den ungewöhnlichen 7/4 Takt einzufühlen. Er hat den letztendlichen Take dann phänomenal eingespielt und auch dieses gewagte Experiment ist gelungen. 

HMP: Wie sieht der Terminkalender Eurer Band aus? Wie groβ ist das Publikum Eurer Konzerte? Habt Ihr schon ausser Deutschland irgendwo gespielt? Gibt es in der nahen Zukunft die Chance eine Tournee durch Europa, vielleicht mit dem Auftritt in Polen zu unternehmen? 

M.L.: Wir spielen seit Bandgründung regelmäßig live und haben von kleinen Dorffesten bis hin zu großen Festivals schon vieles mitgenommen, bis hin zu einem Auftritt bei klirrender Kälte im Freien, ohne jedes Publikum, wo wir nur für einen großen Berg gespielt haben. Das wohl mit Abstand seltsamste Konzert ist aber wohl unser Record Release Konzert gewesen, das wir vor einigen Tagen gespielt haben. Da aufgrund der Corona-Krise sämtliche Veranstaltungen untersagt sind, mussten wir das geplante Konzert in ein Live-Stream-Event verwandeln und haben in einem bis auf das Aufnahmeteam leeren Saal auf der Bühne nur für die Kameras gespielt. Ohne ein präsentes Publikum zu spielen, aber gleichzeitig zu wissen, dass tausende Menschen aus aller Welt zuschauen, ohne dass wir davon etwas mitbekommen war ein sehr eigenartiges Gefühl. Wir werden den Mitschnitt des Konzertes in den nächsten Tagen auf unserem Youtube Kanal veröffentlichen.

Wir hatten uns natürlich gewünscht, im Zuge der Albumveröffentlichung auch eine größere Tour zu spielen, aber auch diese ist dem Auftrittsverbot zum Opfer gefallen und niemand weiß, wie lange dieser Zustand aufrechterhalten werden wird. Das ist für viele Bands und selbstständige Künstler eine existenzielle Bedrohung und wir hoffen, dass dort sehr schnell wieder zur Normalität zurückgefunden wird. Mehrere Berufszweige stehen bereits jetzt vor einem Scherbenhaufen und man muss sich durchaus die Frage stellen, ob nicht der Schaden durch die Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Verbreitung des Virus am Ende deutlich schwerer wiegt, als der, den die Krankheit selbst angerichtet hätte. 

Jedenfalls wünschen wir uns von Herzen, bald wieder vor Publikum spielen zu können und würden dabei sehr gerne auch in Polen spielen, da wir eine besondere Verbindung mit dem Land haben. Unser vorheriges Album Sein haben wir im Saraswati Tonstudio in Polen aufgenommen und mit Ranjit Prasad, dem Besitzer des Studios eine bis heute anhaltende Freundschaft geschlossen. Er zeigte uns immer wieder Landschaft und Leute, so haben wir in Polen wunderbare Menschen kennen gelernt und auch mehrere Auftritte vor einem großartigen Publikum gespielt. Bei jeder unserer vielen Reisen nach Polen hatten wir das Gefühl eines Nach-Hause-Kommens und der Verbundenheit, das weit über die höfliche Gastfreundschaft hinausreicht, mit der wir stets empfangen wurden.

HMP: Und eine letzte Frage, die mit der  Musik überhaupt nichts zu tun hat. Magst Du Bier ? Radeberger oder Sternquell? Was würdest Du empfehlen?

M.L.: Ich würde dem deutschen Leumund keine Ehre machen, wenn dem nicht so wäre.

Allerdings mag ich weder Radeberger, noch Sternquell. Es gibt viele kleine Brauereien, vor allem in der Region Franken in Bayern und natürlich auch bei uns im Vogtland, die ganz vorzügliches Bier brauen, in dem man auch die Liebe schmeckt, in der die Arbeit verrichtet wurde. Auch in Polen haben wir immer ausgesprochen schmackhaftes Bier zum Trinken bekommen.

Ich bedanke mich für das Interview. Ich wünsche Dir und Deinen Kollegen, dass Eure  Träume und Wünsche in Erfüllung gehen! Ich hoffe Polis in Polen in Konzerten zu treffen. Alles Beste von den polnischen Fans. Vielen Dank

Włodek Kucharek

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